Warum fällt manchen Kindern das Lesen und Schreiben lernen so schwer? Um Lesen und Schreiben zu lernen, muss das Kind zunächst unsere Buchstabenzeichen erkennen. Dabei muss es die Details der Buchstaben genau beachten und darf sie nicht nachlässig ausführen. Obwohl wir Menschen im Alltag sonst generalisieren müssen, um uns verständigen zu können (Glas= Wasserglas, aber auch Weinglas; auf Form, Höhe oder Aussehen wird dabei nicht eingegangen). In unserem Alphabet fällt hingegen auf, dass sich die Buchstaben oft nur minimal unterscheiden (d/b/q/p; O/Q; I/l/i; r/n/m; E/F/P…und so geht es weiter).
Zusätzlich muss das Kind lernen, diese Buchstaben mit den richtigen Sprachlauten zu verknüpfen, um sie dann beim Lesen zu Wörtern zusammenziehen zu können.
Beim Schreiben muss das Kind wissen, dass unsere Buchstaben nur den Ideallauten zugeordnet sind. Ein e kann ein e in „Idee“ oder ein e in „Pfanne“ (klingt eher wie ein ö) oder ein e in „Kerze“ (klingt eher wie ein ä) sein. Kinder müssen beim Schreiben unwichtige Nuancen der Lautkombinationen in Wörtern unterdrücken (Eimer statt Aeimer; Ferien statt Ferijen).
Den Lese- und Schreibanfängern bereitet es auch Probleme, dass Buchstaben- und Reihenfolge sich im Wort immer entsprechen müssen, auch wenn durch die Betonung andere Laute hervorgehoben werden (besonders die Vokale z.Bsp.: Fohlen, Blume). Zusätzlich neigen Schreibanfänger dazu, die Vokale wegzulassen, da sie beim Buchstabieren der Konsonanten schon mitgesprochen werden: Besen wird „be, e, es, e, en“ buchstabiert, kann also gekürzt „Bsn“ geschrieben werden, wenn das Kind vermeiden will, Buchstaben doppelt zu benutzen.
Bei so vielen Schwierigkeiten, wird es verständlicher, dass Schüler manchmal zu selbsterfundenen Strategien greifen, um Orientierung zu finden.
Viele leseschwache Kinder erlesen nur den Anfang eines Wortes und erraten dann den Rest: So wird zum Beispiel aus Schublade, Schokolade oder aus Strauch wird Straße. Außerdem können viele Schüler der ersten Klasse ihre Fibeltexte auswendig. Oft versuchen sie sich den Text aus den dazugehörenden Bilder zu erschließen. So wird zum Beispiel aus: „Der Junge lehnt an der Mauer.“ – „Der Junge steht an der Wand.“
Häufig fällt Eltern bereits in der ersten Klasse auf, dass „irgendetwas mit dem Kind nicht stimmt“ bzw., dass ihr Kind größere Probleme hat oder sich zumindest schwerer tut als seine Klassenkameraden. Die Entscheidung, bis zu welchem Zeitpunkt die Eltern die natürliche Entwicklung des Kindes abwarten, ist schwer zu treffen.
Auch fallen Probleme in der Rechtschreibung erst dann auf, wenn in der dritten Klasse zunehmend ungeübte Texte als Diktat geschrieben werden. Konnten die Kinder vorher noch Fehler durch intensives Üben vermeiden, fallen die Rechtschreibprobleme nun verstärkt auf.
In der Regel versuchen Eltern nun durch vermehrtes Üben die Rechtschreibung zu verbessern. Dies gelingt oft nicht, da der Wortschatz in unserer Muttersprache so groß ist, dass es unmöglich wäre, alle Worte auswendig zu lernen, die im Sprachgebrauch genutzt werden. Da es den betroffenen Kindern an günstigen Strategien mangelt, verunsichern selbst kleine Satzumstellungen die Kinder so sehr, dass sie gelernte Wörter nicht abrufen können. Viele Kinder können Wortbilder nicht abspeichern, sodass sie das selbe Wort in dem selben Diktat mehrmals (und unterschiedlich) falsch schreiben.
Aus den gleichen Gründen scheitert eine reine Nachhilfe, da durch zusätzliches Üben das Grundproblem nicht behoben wird.
Treten solche Probleme auf, kann eine intensive Förderung im Sinne einer therapeutischen Lese-Rechtschreibförderung sinnvoll sein.
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